Einleitung

Silvia Klöti-Grob. Inventar der Glasgemälde- Sammlung der Stiftung Dr. Kurt Brunner-Haus, Im Sand, Glarus. Typoskript, Zürich 1967

Farbige Glasscheiben schmückten im Mittelalter Kirchen und Kathedralen und verwandelten die Innenwände in leuchtende Flächen. Die weltlichen Nachfahren der farbigen Kirchenfenster sind die Kabinett- oder Wappenscheiben von bedeutend kleinerem Format. Getragen vom neuen bürgerlichen Selbstbewusstsein und ermöglicht durch den steigenden Wohlstand, kommt es in der Schweiz im 16. und 17. Jahrhundert zu der beliebten Sitte der gegenseitigen Scheibenschenkungen. Versehen mit dem Wappen des Schenkenden, zieren diese Kabinettscheiben öffentliche und private Gebäude und geben der Glasmalerkunst auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft ein eigenes Gepräge, sodass man geradezu von der «Schweizer-Scheibe» spricht.

Die Glasmalerkunst war ursprünglich eine Art Mosaikarbeit mit farbigen Glasstücken, wobei die einzelnen Stücke gemäss der Vorzeichnung – dem Scheibenriss – geritzt, gebrochen und zurechtgeschliffen wurden. Die farbigen Scherben wurden alsdann mit Bleiruten eingefasst, sodass die fertige Scheibe ein Gebilde von Glasscherben in einem Bleirutennetz darstellt. Um das Verbleien zu umgehen, wurden schon früh andere Methoden erfunden, so z.B. die Überfanggläser; farbloses Glas wurde mit einer farbigen Schicht überzogen, wobei durch Ausschleifen dieses Überfanges zwei Farbtöne nebeneinander entstanden. Durch Hinterlegen von Silbergelb auf blaues Hüttenglas wurde ein grüner Farbton erzielt, beliebt für Landschaften. Im Laufe des 16. Jahrhunderts fanden die Schwemm- oder Auftragsfarben immer mehr Anwendung. Sie wurden in flüssigen Zustand auf farbloses Glas aufgetragen wie Silbergelb und Schwarzlot, das für die Binnenzeichnung seit dem Mittelalter Verwendung fand. Die Glasmalerei wurde somit immer mehr zur Malerei auf Glas und nicht mehr mit Glas, die Leuchtkraft verlor an Intensität und die Farben wurden stumpf. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts kam immer mehr die Grisaille-Malerei auf, d.h. das Malen mit schwarzen und braunen Tönen auf farbloses Glas und verdrängte beinahe die farbige Scheibe.

Das Wappen des Stifters steht auf jeder Scheibe, es erinnert den Empfänger an den freundlichen Spender. Schildhalter begleiten die Wappen oder das Hoheitszeichen der Stände, Bannerträger treten auf. Beliebt war die Ämterscheibe, die Gerichtsscheibe, die Zunft- und Gesellschaftsscheibe. Um 1550 kommt die Figurenscheibe auf, wo einzelne Amtspersonen, Ehepaare, ganze Familien oder auch Freundesgruppen dargestellt werden. Einen besonderen Platz nahmen die Bildscheiben mit religiösen, antiken, historisch-patriotischen oder allegorischen Motiven ein. Von besonderem Reiz sind die kleinen Oberbilder, die fast auf jeder Scheibe vorkommen, häufig in Silber- und Schwarzlot gemalt. Sie entwickeln sich zu kleinen Genre-Bildchen und deuten häufig Stand und Beruf des Stifters an oder bringen Szenen aus dem alten und neuen Testament. Nicht immer sind die Werke vom Glasmaler signiert. Wo aber eine Signatur auftaucht, ist sie willkommenes Mittel, um Einblick in die Zusammenhänge zu gewinnen.

Oft ist das Schicksal der einzelnen Scheiben sehr bewegt. Ein grosser Teil des Reichtums an schweizerischen Glasgemälden ist ins Ausland abgewandert. Erst anfangs unseres Jahrhunderts (20. Jh.) wurden Interesse und Bestrebungen zur Heimschaffung dieses für uns so wertvollen Kulturgutes lebendig. Neben unseren Museen sind es nicht zuletzt Privatleute - wie bei der vorliegenden Stiftung des Herrn Dr. Kurt Brunner – denen wir es zu danken haben, dass heute wieder ein grosser Teil dieser leuchtenden Schätze in unserem Land zu sehen ist.